Halbjahresbericht

Ich wollte schon längst einen Erfahrungsbericht schreiben und wusste aber nie wie ich anfangen sollte. Ich bin aber bereits ein halbes Jahr hier und finde es ist nun wirklich an der Zeit. Ich versuche einfach mal vorne anzufangen.

Warum überhaupt Israel?

Das ist eine sehr gute Frage die ich mir selbst nur teilweise beantworten kann. Israel ist einfach spannend. Als Kinder fragt man sich manchmal wo man her kommt. Kinder betreiben gerne eine Art Ahnenforschung. Da meine Eltern aber beide Pfarrer sind war Religion, Glaube und Gott natürlich oft ein Thema zuhause und so habe ich eine Art Grundlagenforschung in der Religion in der ich erzogen wurde gesucht, da mir das alles was wir machen irgendwie nicht greifbar genug war. Und wenn man nun mal tiefer ins Christentum schaut, kommt man am Judentum nicht vorbei. Ich habe schnell angefangen eine Faszination für diese Religion zu entwickeln. Sie schien so ursprünglicher. Ich glaube auch, dass mein eigener Name eine nicht zu kleine Rolle gespielt hat. Esther benannt nach dem Buch im Alten Testament. Diese Geschichte hat mich direkt gefesselt. Esther die Königin, Esther die Retterin. Ich habe sie als Vorbild genommen. Diesen großen Namen zu tragen hat mich stolz gemacht. Da ich schon als Kind viel mit der Thematik in Kontakt kam, haben mich die Ereignisse aus Nazideutschland umso wütender gemacht. Um die Kindheitserinnerungen mit meinem Aufenthalt in Israel zu verknüpfen betrachten wir mal Das Lans Israel. Ja, auch wenn es hier viel Chaos und Gewalt gibt, bleibt dieses Land faszinierend. Zum einen ist es das einzige jüdische Land auf der Welt und zum anderen ist es das Land in dem Heiligtümer aus den verschiedensten Religionen beheimatet sind. Hier lebt Religion. Manchmal hat man das Gefühl man kann in diesem Land nicht mal die Schuhe zubinden ohne dass dies nichts mit Religion, Glauben oder Gott zu tun hat. Ich wollte sehen, wie dieses Land, welches so oft in den Medien gezeigt wird, in Wirklichkeit aussieht. Ich wollte hören, sehen, riechen, fühlen, schmecken, was es bedeutet in dem „heiligen Land“ zu sein und warum es so schwierig aus diesem Land ein friedliches Land zu machen.

 

Wie ich mich fühle als Deutsche in diesem Land zu sein.

Als ich hier ankam muss ich zugeben, dass ich das nicht immer komplett auf dem Schirm hatte Deutsche zu sein und was das bedeutet. Ich bin 20 Jahre alt gewesen als ich hier ankam. Ich habe Nazideutschland nicht mehr erlebt, meine Eltern haben Nazideutschland nicht mehr erlebt und meine Großeltern nur als Kinder oder Jugendliche. Für mich war es ein Stück Geschichte - wichtige Geschichte, aber so wie die Französische Revolution, der Untergang des Römischen Reiches… eben  Geschichte. Ok natürlich etwas mehr als das, da es dort stadtfand wo ich aufgewachsen bin. Ich muss zugeben, dass ich deswegen   manchmal ein mulmiges Gefühl im Bauch habe und Seite gedacht habe, dass ich  mich „schuldiger“ oder „betroffener“ fühlen würde, wenn es um Deutschlands Vergangenheit geht. Im Altersheim hier in Israel habe ich eine Dame kennengelernt. Sie kommt ursprünglich aus Deutschland und ist damals nach Amerika geflüchtet und dann nach Israel ausgewandert. Sie fragte uns wo wir her kommen und meine Mitvolontärin sagte Holland und ich Deutschland. Als sie mich dann ansah und meinte sie sei auch aus Deutschland habe ich auf English gefragt von wo genau. Ihre Antwort kam auf English mit dem Nachsatz, dass sie auch kein Deutsch mehr spricht. Dabei habe ich mich nicht schon etwas unwohl gefühlt, aber irgendwie hätte ich gedacht das es mich wesentlich härter trifft. Ich als Volontärin spreche hier auch viel englisch und mochte auch eine Zeitlang nicht so viel deutsch sprechen, da wir zum einen eine internationale Gemeinschaft sind und zum anderen mich wenig mit Deutschland (als Land) verbindet bzw. ich froh war ausbrechen zu können. Einmal als wir die Dame im Altersheim wieder besuchten, sie von ihren Erlebnissen während ihrer Zeit als Jüdin in Nazideutschland. Natürlich hat mich das sehr betroffen gemacht. Es war eine Geschichte die bei mir Wut und Trauer auslöste, aber auf eine Weise, wie mich jede Geschichte die so eine emotionale Tiefe hat, berühren würde und nicht weil ich auch Deutsche bin. Damit hatte ich nicht gerechnet. Ich dachte mich würden sehr starke Gefühle der Schuld überkommen. So wie damals als wir das Thema in der Schule behandelten und man leider immer noch sieht, dass es Menschen in Deutschland gibt, die nicht aus der Geschichte gelernt haben. Ich glaube als Jugedliche hatte ich auch Angst, dass mich die Menschen, die damals verfolgt wurden, nicht mögen, nur weil ich aus Deutschland komme. Aber diese Frau mochte mich soweit ich das beurteilen kann. Zumindest hat sie mich nicht direkt wegen meiner Herkunft abgestempelt. Und diese Erfahrung habe ich hier öfter gemacht. Es ist eher die Ausnahme, dass Israelis einen nicht mögen weil man aus Deutschland kommt. Ich muss zugeben mir fällt es mittlerweile leichter zu sagen, dass ich aus Deutschland komme als zu Beginn meines Aufenthaltes hier.

 

Die Sprachen und ihre Probleme

Ich muss gestehen, ich dachte immer mein English ist miserabel und eigentlich denke ich das noch immer. Dennoch habe ich eigentlich kaum Probleme mich auf Englisch zu verständigen. Das ein oder andere Mal fehlen mir Vokabeln. Das passiert. Und bei Menschen mit starkem Akzent habe ich manchmal auch meine Schwierigkeiten. Dennoch fühle ich mich beim englisch Sprechen recht wohl. Was ich schade finde ist, dass mein Englisch sich nicht viel weiterentwickelt, da ich zum Großteil mit Menschen zu tun habe, die keine Englisch- Muttersprachler sind. So entwickelt das Englische in Nes Ammim eine Art Eigendynamik. Nomen werden zu Verben. Hier ein Beispiel: broom heißt übersetzt Besen; daraus ist  to broom“ entstanden also fegen, genauer müsste ich eigentlich sagen: besen (also ich bese, du best…). Richtig wäre eigentlich:  to sweep. Auch werden Begriffe aus dem hebräischen „eingeenglischt“. Aus „a big mess“ (eine große Unordnung) wird „a big balagan“, balagan ist hebräisch und bedeutet Chaos Nun kommen wir auch schon zum Hebräischen. Ich finde es gut, dass Nes Ammim Hebräisch-Unterricht anbietet. Aber man kann nicht ein Niveau erreichen,  mit dem man sich fließend unterhalten kann(ohne sehr große Eigenbeteiligung oder ein Supertalent). Mein Hebräisch geht über Danke, Bitte, Tschüss, wie geht es, kaum hinaus. Mittlerweile kann ich ein paar Sätze bilden, aber dafür brauche ich viel Konzentration. Hier in Nes Ammim kommt man selten in die Verlegenheit hebräisch sprechen zu müssen, da auch die israelischen Angestellten mit uns englisch reden. Jetzt kommen wir auch schon zur Ausnahme der Rezeption. Nes Ammim betreibt ein Hotel und ich habe anfänglich sehr viel an der Rezeption gearbeitet. Da kommt man natürlich viel mit israelischen Gästen in Kontakt. Ich muss zugeben, ich verstehe dort schon recht viel. Man gewöhnt sich dann natürlich an die Vokabeln. Dennoch antworte ich auf hebräische Fragen meist auf Englisch insofern ich sie verstanden habe. Manchmal passiert es aber auch, dass Israelis die Deutsch können, bei uns zu Gast sind. Deutsch können sie, wenn sie in Deutschland studiert oder gearbeitet haben. Einmal kam ein orthodoxer Jude, der in unserem Hotel übernachtete und redete mit mir eine Mischung aus Englisch und jiddisch, um mir zu zeigen wie sehr jiddisch und deutsch miteinander verwandt sind. Er meinte aber auch, dass jiddisch immer seltener wird, vor allem in Israel fast ausstirbt. In Israel selber findet man eigentlich immer Menschen, die English sprechen, gerade in Touristengegenden. Ich habe meine Hebräischkenntnisse, außer an der Rezeption, noch nie wirklich gebraucht. Dennoch finde ich es bedauerlich, dass ich nach einem halben Jahr in diesem Land mich immer noch nicht in der Landessprache verständigen kann.

Müll

Ich glaube eins der ersten Dinge die mir aufgefallen sind ist der Müll hier. Ja das klingt banal, aber schon als Kind wurde mir die Wichtigkeit von Recycling Müll und vor allem Plastikreduzierung und Mülltrennung beigebracht und das mit Erfolg. Ich hatte oft ein schlechtes Gewissen Plastiktüten zu verwenden. Und einmal im Jahr am Wandertag mit der Schule hätte ich gerne mein Brot in  Butterbrotpapier gewickelt, da es platzsparender ist, dennoch habe ich mich meistens für eine Brotdose entschieden, um Müll zu vermeiden. Umso mehr schockiert es einen, wenn man sieht wie locker hier der Umgang mit Müll und Plastik ist. Müll findet man eigentlich überall, am Straßenrand, auf den Gehwegen, am Meer, am See. Na gut ich gebe zu, es gibt auch durchaus saubere Orte. Dennoch ist der herumliegende Müll deutlich mehr als bei uns. Auch wenn man einkaufen geht egal ob Kiosk oder Supermarktkette, um Plastiktüten kommt man nicht herum. Du willst einen Apfel? Ok, dann geh in den Laden packe den Apfel in eine Plastiktüte und dann wird dieser an der Kasse abgewogen und damit du ihn sicher nach Hause tragen kannst packst du ihn an der Kasse noch in eine Plastiktüte mit Henkel. Ja, so ungefähr läuft das hier ab. Meistens sind es mehr als ein Apfel aber jede einzelne Sorte Obst wird extra in Tüten gepackt und diese dann nochmal in Tüten. Das Problem ist, finde ich, dass man komisch angesehen wird, wenn man seine eigene Stofftasche mitbringt oder die eigekauften Sachen einfach bis zum Auto trägt ohne Tüte. Einmal habe ich an einem Kiosk eine Flasche Wasser gekauft- nichts weiter. Ich bezahle, die Verkäuferin greift zur Plastiktüte. Ich sehe diese in ihrer Hand und sage „nein danke ich brauche keine Tüte“. Ein verwirrter Blick trifft kurz meine Augen, dann wechseln diese den Fokus von der Flasche zur Tüte, von der Tüte zur Flasche. Ein paar Sekunden später packt sie schnell und hektisch die Flasche doch in die Tüte, so als würde ich es nicht merken wenn sie es nur schnell genug macht und reicht sie mir. Ganz ungewohnt. In meinem Freundeskreis wird man für genau diesen großen Verbrauch an Plastiktüten komisch angesehen und hier ist es genau umgekehrt. Verrückte Welt. Dennoch gibt es auch in Israel Recyclingprojekte und Recyclingkonzerne, es gibt auch Künstler, die aus Müll (und an diesem Rohstoff mangelt es hier wirklich nicht) Kunst mach. Dennoch ist der tägliche Umgang damit ganz anders als ich es kenne.

 

Katzen

In Israel gibt es unglaublich viele Katzen. Sie vermehren sich unkontrolliert und streunen überall herum. Auch hier in Nes Ammim haben wir viele Katzen. Aber wir füttern und impfen sie, lassen sie kastrieren und registrieren. Alle ca. 40 Katzen, die bei uns sind haben einen Namen. Ich glaube ich kenne ungefähr 12 Katzen mit Namen.

 

Religion

Oh ja die Religion. Da kommt man hier wirklich nicht daran vorbei, das wusste ich. Aber wissen ist die eine und erleben die andere Seite. Jeder Teil des Lebens hier ist geprägt von Religion. Die Kleidung, das Essen, der Tagesablauf, der Wochenablauf, die Arbeit und natürlich auch die Gespräche. Hier in diesem Land gibt es viele Religionen. Hauptsächlich vertreten sind diese vier: Judentum, Islam, Christentum, Drusen. Drusen sind eine Religion, die die Lehren ihrer Religion gerne geheim halten. Drusen sprechen als Muttersprache Arabisch. Drusische Frauen tragen weiße Kopftücher ähnlich gebunden wie die der muslimischen Frauen. Die Männer tragen eine weiße gestickte kleine Mütze. Es sieht ein bisschen aus wie eine große Kippa. Sie tragen auch eine Art Haremshosen, also diese Hosen, die nicht an der Innenseite der Oberschenkel anliegen sondern erst auf Höhe der Knie geschlossen werden. Warum sie das tun ist eine sehr interessante Geschichte. Falls ihr diese nicht kennt, fragt mich wenn ihr mich trefft. Die meisten Christen sprechen als Muttersprache auch Arabisch. Christliche Araber gibt es hier wohl schon seit es christlichen Gemeinden gibt. Dann gibt es noch die Muslime, welche die zweitgrößte Gruppe bilden und dann die Juden, welche die größte religiöse Gruppe ausmachen. Mit Religion wird man ständig konfrontiert. Auch bei uns in Nes Ammim bei den Mahlzeiten, da diese koscher sind. Natürlich fällt auch die Kleidung  der Religiösen auf,  egal welcher Religion sie angehören. Aber auch im Gespräch ist Religion oft Thema. Während ich an der Rezeption gearbeitet habe, bin ich mit vielen Gästen auch vielen inländischen Gästen in Kontakt gekommen. Nun ist es, wie schon erwähnt so, dass ich kein hebräisch spreche und jedes Mal frage, ob es ok ist englisch zu sprechen. An der Rezeption gibt es immer ein Schild mit dem Namen und dem Herkunftsland des Rezeptionisten. Einmal kam ein religiöser israelischer Jude und entgegnete mir auf Englisch sehr verwundert und etwas verärgert: „Wie? Du heißt Esther und kannst kein hebräisch und bist nicht jüdisch?“ Ich lächelte und sagte „Ja“. Auch bin ich nicht sonderlich konservativ, dennoch trage ich gerne auch mal lange Röcke. Ein Gast fragte mich ob ich religiös bin und ich entgegnete mehr oder weniger was nun einmal zutrifft. Dann kam zurück und fragte:  „Ja oder nein?“ Da ich das etwas proaktiv fand sagte ich dann nein. Darauf kam dann als Antwort: „Du siehst religiös aus!“,  was er lediglich auf meinen Rock und der darauf getragenen Bluse bezog. Immer wieder werde ich gefragt, warum ich Esther heiße, wenn ich nicht jüdisch bin.

 

Wir haben auch ein Projekt in Nes Ammim bei dem man mit Menschen mit Handicap kochen und essen kann. Dort kam einmal eine größere Diskussion auf wie privat die Frage nach der eigenen Religion ist. Ich glaube nach der Religion gefragt zu werden ist eine Frage wie stark die Grenzen in den Köpfen sind. Wenn man fragt weil es einfach interessant ist zu wissen wie und wo man herkommt und wenn man im Kopf keine geschlossenen Grenzen zwischen Herkunftsländern und Religionen hat ist es voll ok.

 

Religion ist einfach eine spannende Angelegenheit. Sie hat etwas Faszinierendes. Und den Hunger danach mehr zu erfahren und kennen zu lernen, den kann man wohl nie stillen. Dennoch ist es leider so,  dass Religion auch ein großes Potenzial für Konflikte darstellt.

 

Konflikt

Was ist eigentlich der Konflikt von dem alle reden? So recht verstanden habe ich das früher nicht und ich muss zugeben mein Aufenthalt hier macht es nicht besser aber echter. Dieser Konflikt ist kein schwarz-weiß ist kein jüdisch gegen muslimisch ist kein Israelis gegen Palästinenser. Dieser Konflikt ist ein 1 Millionen Puzzle mit ganz viel „Himmelspuzzelstücken“, die alle schwer zusammenzusetzen sind. Ich habe gelernt, dass man, egal wie viele Menschen man zu diesem Thema fragt, wie viele Antworten und Recherchen man macht, dass es auf die Frage was ist dieser Konflikt nie eine ausreichende Antwort gibt. Nur eins ist klar: der Konflikt mit seinen Auswirkungen ist da und dominiert viele Dinge des alltäglichen Lebens.

 

Von A nach B

Nes Ammim ist eine Insel. Um uns herum ist Landwirtschaft. Und das Dorf ist klein. Da ist es ein normales und gesundes Phänomen, dass viele ausziehen, um das Land zu erkunden. Doch wie kommen wir von A nach B? Wenn man in einem fremden Land ist, ist das eine wichtige Frage. Busse sind hier das  meist genutzte öffentliche Verkehrsmittel. Züge gibt es auch. Sie sind wesentlich bequemer, ähnlich günstig, aber nicht überall ist das Bahnnetz gut ausgebaut. Taxi kann vor allem am Sabbat sehr teuer werden. Da ist das Sherut- Taxi, das Sammeltaxi, gerade am Sabbat die beste Alternative. Nun, dann gibt es natürlich noch die Möglichkeit zu „hitch-hiken“, also zu trampen. So habe ich schon einige 100 km hinter mich in diesem Land gebracht und schon viele israelische Privatwagen von innen gesehen. Trampen ist hier normal. Natürlich sollte man (wie bei allem was man tut) vorsichtig und achtsam sein. Und in Regionen um Jerusalem vielleicht lieber auf öffentliche Verkehrsmittel umsteigen. Dennoch kann man beim „hitch-hiken“ nette Menschen kennen lernen, interessante Gespräche führen, Obst geschenkt bekommen, mit fremden Menschen lachen aber auch mal kein Glück haben. Einmal sind eine Freundin und ich von Tel Aviv zurück getrampt. Wir waren in Eile und es war Feiertag das heißt es fuhren keine öffentlichen Verkehrsmittel und ein Taxi war zu teuer. Also sind wir mit fast jedem Auto mitgefahren. Der erste oder zweite, der uns mitgenommen hat, war ein freundlich aussehender Mann Mitte vierzig. Wir setzten uns ins Auto und erst nach einem Moment fällt uns auf, dass es im Auto nach Alkohol riecht. Wir unterhalten uns und betonen ständig, dass er uns gerne wieder raus lassen kann. Aber keine Chance. Wir fuhren durch die Stadt und plötzlich schauen Salome und ich verschreckt drein. Salome schreit! Der Autofahrer hat eine Katze überfahren. Zum Glück ließ er uns bald raus. Diese Erfahrung braucht man kein zweites Mal. Mit dem ein oder anderen komischen Menschen bin ich schon mitgefahren, aber ich habe gelernt, egal wie eilig man es hat, oder wohin man möchte,  man sollte nicht mit Leuten mitfahren mit denen man nicht will.

 

Essen

Ja das Essen. In Nes Ammim ist alles koscher. Was mir als Veganerin relativ schnuppe ist, da ich weder Milch noch Fleisch esse. Koscher essen bedeutet grob das man Fleisch und Milch (also jegliche Milchprodukte und Lebensmittel, welche dieses enthaten) nicht zusammen isst. Je nach religiöser Richtung müssen so und so viele Stunden 3 oder 6 oder 8 oder ganz andere Anzahl an Stunden dazwischen liegen. Dann gibt es das Verbot des Blutgenusses, aus diesem Grund darf man keine befruchteten Eier essen, das heißt beim Aufschlagen der Eier darf kein roter Punkt drin sein. Damit dies gewährleistet ist, ist es in unserer koscheren Hotelküche so, dass nur ein Jude die Eier aufschlagen darf. Und dann gilt es noch Lebensmittel, die man einfach gar nicht essen darf, wie zum Beispiel Schwein, Kaninchen und Hummer. Nur Tiere die Wiederkäuer und Paarhufer sind sind koscher. Bei Wassertieren sind nur diese koscher die Flossen und Schuppen haben. Vögel sind koscher solange sie keine Raubvögel sind. Dann gibt es auch noch parve Lebensmittel, welche weder verbotene Lebensmittel noch Fleisch oder Milch enthalten. So weit so kompliziert. Was das Judentum mit dem Islam bei Speisevorschriften gemeinsam hat ist, dass sie beide kein Schwein essen und Schächten die Schlachtmethode ist, welche sowohl koscher (jüdisch) als auch halal (muslimisch) ist. Streng religiöse Muslime trinken zusätzlich keinen Alkohol, während Wein im Judentum sogar eine rituelle Rolle spielt.

 

Das Nationalgericht würde ich fast sagen, ist Falafel. Allerdings ist es mit der nationalen Küche hier so eine Sache. Hier herrscht die mittel- östliche Küche vor mit den Einflüssen verschiedenster Nationen, da dies ein Einwanderer Land ist. Eine Israelische Küche an sich gibt es nicht. Es gibt bestimmte jüdische Gerichte, die zum Beispiel einen Bezug zu den Feiertagen haben, bzw koscher sind und es gibt die arabische Küche und es gibt jede Menge „Misch-Masch“..  So sind Falafel und Humus etwas, was man hier an jeder Ecke bekommt. Ab und zu bekommt man etwas angeboten und gesagt es sei typisch israelisch und man kennt dieses Lebensmittel schon aus anderen Ländern, da es eingewanderte Juden waren, die die Gerichte mitgebracht haben.  So zum Beispiel Halva, was ich im Übrigen sehr mag und hier sogar als Brotaufstrich entdeckt habe.  Vielleicht ist typisch israelisch die Vielfalt, die Experimentierfreude aus den unterschiedlichen Essgewohnheiten und Gerichte ganz neuen Kreationen zu entwickeln.

 

Die Arbeit

Natürlich bin ich nicht hier um mir einen faulen Lenz zu schieben, sondern auch zum Arbeiten. Wir betreiben ein Hotel und arbeiten auch für unsere eigene community (Wäsche waschen, den Volontärs- bereich sauber halten,..) und im Garten arbeiten. Ich habe angefangen mit Housekeeping und dishwash danach habe ich viel an der Rezeption des Hotels gearbeitet und mittlerweile bin ich bookkeeping aassistent. Dabei wollte ich eigentlich immer nur im technischen Service arbeiten. So spielt das Leben nun mal. Aufgrund von Volontärsmangel sind meine Einarbeitungszeiten sehr verkürzt und man steht recht schnell vor viel Eigenverantwortung in den einzelnen Arbeitsbereichen. Das hat mich schon mal den ein oder anderen Nerv gekostet. Die Arbeit kann echt Spaß machen, vor allem wenn man nicht alleine ist und man nette oder wenig Gäste im Hotel hat.

 

Die Flüchtlingsfrage

Zuerst möchte ich sagen, dass es die Flüchtlingsfrage eigentlich nicht gibt. Dennoch scheint das Thema Flüchtlinge in Israel eine große Rolle zu spielen. Schon des Öfteren wurde ich darauf angesprochen. Bei meinem Praktikum beim der Diakonischen Werk Trier  durfte ich auch Einblicke in die Flüchtlingsarbeit erhalten, was mich sehr beeindruckt hat. Bevor ich nach Israel kam, war das Thema Flüchtlinge durchaus präsent, dennoch war ich überrascht mit der Flüchtlingspolitik Deutschlands in Israel von Israelis konfrontiert werde. Ich muss zugeben, dass mich das teilweise schon schockiert hat. Sätze wie „hast du nicht Angst, dass der Islam ganz Deutschland einnimmt“? fand ich doch recht schwierig.  Ich bin mir nicht mehr sicher was ich darauf geantwortet habe. Es war doch recht am Anfang meines Aufenthaltes. Aber mit solchen Fragen habe ich nun auch einfach nicht gerechnet. Vor allem bin ich mehr als einmal über diese Meinung gestolpert: das Thema Flüchtlinge im Allgemeinen und Flüchtlinge in Deutschland im Besonderen scheint auch hier in Israel ein wichtiges Thema zu sein.

 

Waffen, Bomben und Militär

Ich habe mich erstaunlich schnell daran gewöhnt von Militär umgeben zu sein. Bewaffnete Menschen sind für mich kein fremdes Bild mehr und Taschenkontrollen mittlerweile Routine. Auf der einen Seite fühle ich mich sicherer wenn ich weiß, dass es Kontrollen gibt.  Auf der anderen Seite macht es mich traurig, dass dies nötig ist. Wir fahren Bus in Tel Aviv, nicht das erste Mal. Der Bus hält Menschen steigen aus wir bleiben sitzen, ist ja noch nicht unser Stopp. Die Türen gehen wieder zu. Plötzlich hört man durch den Bus schreien „machen sie die Tür auf hier ist ein Koffer der gehört keinem.“ Der Bus hält an, wir rennen alle raus. Wir stehen geschockt an der Straße. Wir unterhalten uns darüber wer was gesehen hat „Da war eine Frau die stand die ganze Zeit neben dem Koffer und als sie raus gegangen ist hat sie den Koffer wieder zurück geschmissen.

 

Bombenalarm im Nachbardorf. In der Stadt Nahariya und in allen umliegenden Dörfern dröhnt der Alarm. Eine Bombe aus Syrien wird befürchtet. Und wir sind nur  5 Fahrminuten entfernt. Den Alarm hören wir bis hier. Ich bekomme schon Angst. Mein Freund ist in Nahariya. Erreichen konnte ich ihn nicht. Er hatte kein Handy dabei. Das Warten auf seine Rückkehr war schon ein seltsames Gefühl, welches ich nicht noch einmal haben muss.